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Trauer hat viele Gesichter

 

 

 

Die Lesung aus "Das Bleiben schmerzt mehr als das Gehen - Witwen erzählen" ist zu Ende. In der anschließenden Diskussion erzählen mehrere Frauen von ihren Verlusterfahrungen. Eine berichtet, wie ihr die Proben mit ihrem Chor helfen, nicht in ewigen Trübsinn abzurutschen. Eine andere erzählt, dass sie über eine Anzeige Kontakt zu anderen Witwen gesucht hat. Dann hebt sich die Hand von einem der wenigen Männer: „Warum schreiben Sie nur über Frauen?“, fragt er. Da ist sie wieder, die Frage nach den Witwern. Ich muss lächeln. In jeder Veranstaltung zu meinem Buch „Das Bleiben schmerzt mehr als das Gehen – Witwen erzählen“ wird sie gestellt.

 

Zuerst war meine Antwort ein entschiedenes „Nein! Es wird kein Buch über Witwer geben.“ Mit dem einen Buch sollte genug sein. Ich befürchtete auch, Männern nicht so viel über ihr Seelenleben nach dem Verlust entlocken zu können. Aber die Themen Sterben, Tod und Trauer ließen mich nicht mehr los. Ich las Bücher über moderne Trauerforschung, besuchte Hospize und Trauergruppen. Und ich zweifelte: Sollte ich vielleicht doch ein Buch über Witwer schreiben? Spätestens, als mich ein Mann um ein Gespräch bat und mir seine Telefonnummer zusteckte, wurde der in mir bereits gehegte Wunsch Realität. Ich begann, mit Witwern zu sprechen und ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle aufzuschreiben.

 

Stimmen die Klischees?

 

 Am Anfang war ich etwas verunsichert. Zu viel hatte ich im Vorfeld über Männertrauer gelesen: Männer zeigen ihre Trauer kaum und vor allem reden sie nicht darüber. Sie verkriechen sich, suchen bald eine neue Partnerin und gehen schnell zur Tagesordnung über. Unter dem Titel „Männer trauern anders“ – sind gleich drei Bücher auf dem Markt erschienen. „Zu dieser Feststellung kann doch nur kommen, wer auch mit trauernden Frauen gesprochen hat?“, fragte ich mich. Stimmten diese Klischees überhaupt?

 

Es war wohl etwas schwieriger, Männer zu finden, die über ihr Schicksal reden wollten. Einige brauchten etwas Bedenkzeit, bevor sie sich entschließen konnten, mit mir zu sprechen. Womöglich lag es daran, dass sie sich einer Frau gegenüber nicht gleich offenbaren wollten. Waren wir aber im Gespräch, erzählten sie ebenso wie die Frauen von tiefen Gefühlen, von Sehnsüchten und geheimen Wünschen. Dass ich ein ähnliches Schicksal durchlebt hatte, machte es für manche leichter. Bei einigen Witwern brauchte es mehrere Treffen, bis alles gesagt und aufgearbeitet wurde. Alle Gesprächspartner sind mir mit großer Offenheit und Ehrlichkeit begegnet. Dafür möchte ich ihnen herzlich danken.

 

Überraschende Erkenntnisse

 

Was mich überrascht hat war, wie viele der Männer ihre Frauen aufopferungsvoll bis zu deren Tode gepflegt hatten. Einige von ihnen haben dafür auf ihre berufliche Karriere verzichtet, ihre Arbeitszeit reduziert oder sogar aufgehört zu arbeiten. Das hatte ich nicht erwartet und war für mich eine neue Erfahrung.

 

Hinterbliebene müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Sie müssen den Verlust verarbeiten und ein neues Leben ohne den Partner führen. Das ist weder für Männer noch für Frauen leicht. In der gängigen Fachliteratur heißt es, Männer würden dazu neigen, ihrer Trauer aktiv zu begegnen, ihre Trauergefühle in Handlungen umzusetzen und sich beispielsweise in die Arbeit flüchten. Auf einige Männer in diesem Buch trifft das durchaus zu. Aber was ist so schlecht daran? Es gibt doch eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit der Trauer umzugehen. Und auch Frauen stürzen sich nach dem Tod ihres Partners sofort wieder in die Arbeit.

 

Laut Statistik neigen Männer eher dazu, als Witwer noch einmal eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Frauen wollen sich nur selten wieder binden. Diese Unterschiede konnte ich in dieser Deutlichkeit nicht feststellen. Zwar war von den 18 Männern in diesem Buch nur ein Drittel nicht an einer neuen Partnerschaft interessiert, doch die meisten derjenigen, die wieder eine Frau an ihrer Seite haben, sind von einer festen Bindung weit entfernt. Sie wollen nicht zusammenziehen, keinen gemeinsamen Hausstand gründen und oft nur die schönen Seiten des Lebens miteinander genießen.

 

Die Zeiten, in denen der Mann wieder versorgt werden möchte, scheinen Vergangenheit zu sein. Die heutigen Witwer sind selbstständig. Das wurde von ihnen immer wieder ausdrücklich betont.

 

Frauen trauern anders - Männer auch

 

Aus den vielen Gesprächen mit Witwern und Witwen hat sich bestätigt, was ich ohnehin schon vermutete. Nicht Männer und Frauen trauern anders, sondern jeder Mensch. Es gibt kein Schema, keine Vorlagen. Jeder trauert zu seiner Zeit auf die ihm eigene Art und Weise. Trauer ist nicht spezifisch weiblich oder männlich, sondern so verschieden, wie es die Menschen sind.

 

In unserer Gesellschaft besteht die Neigung, unterschiedliche Verhaltensweisen und Ausdrucksformen einer Bewertung zu unterziehen. Aber warum? Trauer sollte nicht bewertet werden. Sie soll nicht trennen, sondern verbinden. Statt Unterschiede herauszuarbeiten, sollte dafür gesorgt werdeen, dass Trauernde in der Öffentlichkeit mehr Wertschätzung erfahren und mehr Akzeptanz. Das sollte nicht nur in geschützten Räumen geschehen und nicht nur Profis vorbehalten sein. Niemnd sollte mehr die Straßenseite wechseln, wenn er Trauernden begegnet.

 

                                                                                                                                               (Oktober 2016)

 

"Trauer ist der Preis der Liebe - Witwer erzählen", custos verlag, 164 Seiten

ISBN 978-3-943195-18-7, 10,90 E

 

Für Lesungen, Diskussionen und Gespräche stehe ich gern zur Verfügung.

 

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Kein Einzelschicksal

 

Vor sieben Jahren nahm sich mein Mann das Leben. Nach seinem Tod habe ich immer wieder das "Memento" von Mascha Kaléko gelesen. "Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben" schrieb sie in diesem Gedicht.Genauso hatte ich es empfunden

Ich wollte etwas über Trauer lesen. Ich suchte nach Antworten. Warum wurde die tiefe Leere in mir immer schmerzvoller? War ich noch normal? Würde das jemals wieder aufhören?

Der Umfang der Trauerliteratur ist groß. Doch wo waren die Geschichten der Witwen? Es gab einige Bücher, in denen Frauen über ihr Schicksal sprachen, doch entweder waren sie nicht zeitgemäß oder Erfahrungen junger Witwen oder Witwen jenseits der Lebensmitte. Andere Bücher erzählten Einzelschicksale oder vermischten die Themen Tod und Trennung.

Ich dachte daran, meine Geschichte aufzuschreiben.Doch wer will das schon lesen, so ein Einzelschicksal? Aber ein Einzelschicksal war es nicht. In Deutschland gibt etwa fünf Millionen Witwen.

Zunächst blieb es nur bei dieser Idee. Erst, als ich meinen jetzigen Lebenspartner kennenlernte, und Ruhe und Geborgenheit in mein Leben traten, war ich wieder in der Lage zu schreiben. Meine Geschichte sollte nur eine von vielen sein.

 

Viele Gespräche

 

Mit anderen Witwen Kontakt aufzunehmen, war nicht schwer. Einige kannte ich bereits. Von anderen erfuhr ich durch Zufälle oder besondere Umstände. Per E-Mail oder Brief bat ich sie, mir von ihrem Schicksal zu erzählen. Und ich erzählte auch von mir. So befanden wir uns auf Augenhöhe und führten viele Gespräche, die von einigen Frauen sogar als eine Art Therapie empfunden wurden.

 

Geschichten, die das Leben schreibt

 

Das Buch bündelt 18 protokollierte Berichte von Frauen im Alter von 39 bis 77 Jahren. Sie waren unterschiedlich lange verheiratet oder haben in Partnerschaften zusammen gelebt. Sie haben kleine, erwachsene oder keine Kinder, sind berufstätig oder Rentnerinnen.

Einige Frauen ereilte der Tod ihres Mannes bereits vor Jahrzehnten, andere vor wenigen Jahren oder gar erst vor Monaten. Auch die Todesursachen sind verschieden: lange Krankheit bis zum Siechtum, plötzlicher Tod, Unfalltod oder Suizid.

 

Berührend und aufrichtig

 

Fast alle Frauen stürzen nach dem Tod des Mannes oder Partners in eine tiefe Lebenskrise. Sie haben das Gefühl, allein kaum noch weiterleben zu können. Sie fühlen sich von ihrem Umfeld ausgegrenzt und unverstanden. In dieser Situation ist es hilfreich zu erfahren, wie andere Frauen mit diesem Schicksal umgehen. In "Das Bleiben schmerzt mehr als das Gehen" erzählen Frauen von ihren Erfahrungen mit dem Verlust des geliebten Menschen. Berührend und aufrichtig berichten sie von elementaren Verstörungen, aber auch von Lust und Leidenschaft, von neuen Lebensaufgaben und Lebenszielen. Im Schutz der Anonymität habe sie mit größtem Vertrauen die verborgensten Winkel ihrer Seele geöffnet, über Sehnsüchte und geheime Wünsche, aber auch über Schwächen und Fehler gesprochen. Diese Offenheit macht ihre Geschichten so authentisch und ehrlich.

 

Wertvoll und besonders

 

Einige Frauen durchlebten eine lange und schmerzvolle Trauerzeit. Lisa (51) und Trude (75) stellten sich ihrer Trauer bewusst und verdrängten sie nicht. Nur so konnten sie Erlebtes verarbeiten. Hanna (39) stand nach dem Tod ihres Mannes plötzlich allein da mit ihren zwei kleinen Söhnen. Wie sollte sie ihnen erklären, dass ihr Papa nie mehr wiederkommt?

Einige Frauen entsprechen durchaus nicht den Vorstellungen einer trauernden Witwe. Vera (76) gibt freimütig zu, über den Tod ihres Mannes erleichtert zu sein. Auch Thea`s (55) Liebe zu ihrem Mann war bereits erloschen, bevor er starb.

Kaum eine der Frauen verspürt nicht den Wunsch und die Sehnsucht nach Geborgenheit, Liebe und Sex. Daher wird im Buch der Frage nach einer neuen Partnerschaft breiter Raum gegeben. Nur wenigen stehen moralische Vorurteile im Wege. "Gestreichelt und berührt zu werden ist doch was Schönes", sagt Gertrud (75). "Man fühlt sich dann noch als Mensch." Dem Wunsch nach Zweisamkeit kann eine völlig neue Wahrnehmung des eigenen Körpers, verbunden mit sexueller Attraktivität vorausgehen. Kathrin (45), die sich nie für begehrenswert hielt, begann auf einmal, sich selbst schön zu finden.

In Zeiten des Internets und vieler Partnerforen gibt es sehr viel mehr Möglichkeiten für Witwen, Männer kennen zu lernen. Davon berichtet Anne (73) mit treffendem Witz und guter Beobachtungsgabe.

Jede Geschichte ist etwas Wertvolles und Besonderes. Aus ihnen ist ein sehr persönliches Buch entstanden. Es richtet sich an Menschen, die Betroffenen helfen möchten, sich über Mittel und Wege aber nicht im Klaren sind. Es richtet sich auch an all diejenigen, die sich mit dem Thema Tod und Trauer auseinandersetzen wollen. Aber vor allem ist es ein Buch für Frauen, die ihren Ehemann oder Partner verloren haben.

 

Ein leiser Händedruck

 

Fachlich kompetente Hilfe und Ratschläge sind nützlich und hilfreich. Der Austausch mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal verbindet, kann jedoch oft noch mehr bewirken. Das Buch ist ein leiser Händedruck: Ich verstehe dich. Niemand weiß die Wege der Trauer besser zu beschreiben, als die Trauernden selbst. Sie werden sich in vielen der Geschichten wieder- und bestätigt finden. Sie werden lesen, dass dem niederschmetternden Gefühl etwas Neues, etwas Anderes folgt. Das kann ein neuer Anfang zu einem nicht weniger interessanten und intensiven Leben sein.

 

Dank

 

Die Frauen in meinem Buch haben mir mit größtem Vertrauen ihre Seele und ihr Herz geöffnet. Dafür möchte ich ihnen ausdrücklich danken.

Sie haben Phasen des tiefen Schmerzes, der Hilflosigkeit und der Leere durchlebt und überlebt. Viele sind daraus gestärkt hervorgegangen und haben gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist eine große Lebensleistung, die Respekt abverlangt und nicht genug gewürdigt werden kann.                                                        (Oktober 2013)

 

 


 

Lesungen

 

Für Lesungen stehe ich gern zur Verfügung. 

                                                                                                                                           

Petra Wolf

 

                   

                                                                                                                                         

"Das Bleiben schmerzt mehr als das Gehen - Witwen erzählen", custos verlag, 200 Seiten

ISBN 978-3-943195-10-1, 12,90 Euro

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

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